Net Olam
Jüdische Friedhöfe im Fokus von Antisemitismus und Prävention
Die etwa 2.400 jüdischen Friedhöfe in Deutschland bilden ein reiches kulturelles und religiöses Erbe, und in vielen kleinen Gemeinden ist der Friedhof oft die einzig sichtbare Erinnerung an die jüdische Geschichte des Ortes. Jüdische Begräbnisstätten sind, für eine Minderheit existenziell, auf Dauer angelegt: „Bet Olam“, Haus der Ewigkeit. Die zahlreichen Übergriffe zeigen jedoch, dass sie verletzliche Orte sind. Diese Angriffe richten sich ausdrücklich nicht gegen Einzelpersonen, sondern gegen die gesamte jüdische Bevölkerung – gegen die Lebenden und sogar gegen die Toten. Obwohl jährlich etwa 40 Angriffe erfasst werden – Dunkelziffer unbekannt – sind Friedhofsschändungen nur selten Gegenstand der Antisemitismusforschung. Hier wird das Verbundprojekt Net Olam ansetzen, um Ideen für einen besseren Schutz jüdischer Friedhöfe zu erarbeiten.
Auf der Grundlage einer umfassenden Datenerhebung wird das tatsächliche Ausmaß von Friedhofsschändungen erstmals deutschlandweit und mit einem Schwerpunkt auf der Zeitspanne seit 1945 ermittelt. Diese Informationen bilden eine neue Basis für weitere Forschung und gleichzeitig für die Erarbeitung von Handreichungen zur Vermittlung bis hin zu konkreten Ansätzen zum Schutz gefährdeter Objekte (Grabsteine/Einfriedungen). Ein wichtiges Ziel des Projektes ist die Stärkung der bestehenden zahlreichen Initiativen zum Schutz und zur Erhaltung jüdischer Friedhöfe. Gemeinsam mit lokalen Heimatforscher:innen, Lehrer:innen und überhaupt an jüdischen Friedhöfen Interessierten wollen die Projektpartner ein nachhaltiges, breites Kompetenznetzwerkes aufbauen. Dies soll den vielfältigen lokalen Initiativen zum Austausch untereinander und mit der Wissenschaft/Politik dienen und auch über die Projektlaufzeit hinaus Bestand haben, um gemeinsam gegen Antisemitismus vorzugehen.
Das Verbundvorhaben Net Olam gliedert sich in drei Teilprojekte. Im Teilprojekt „Schändung jüdischer Friedhöfe in Deutschland: Systematische Erhebung, Analyse und Aufbau eines präventiven Netzwerks“ untersucht das Salomon Ludwig Steinheim-Institut Angriffe auf jüdische Friedhöfe und wertet Hinweise auf rechtsextreme Diskurse aus. Durch Archivrecherche, Auswertung großer digitaler Zeitungskorpora sowie der Austausch mit Expert:innen vor Ort (Citizen Science) soll eine möglichst vollständige Erhebung antisemitischer Angriffe bis in die heutige Zeit erfolgen. Im Teilprojekt „Gedenken, Mahnen, Lernen – Jüdische Friedhöfe als Orte der Erinnerungslandschaft“ untersucht die der Bet Tfila - Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa an der TU Braunschweig die Rolle und zukünftige Möglichkeiten für jüdische Friedhöfe als Teil der Erinnerungstopographie. Bestehende Modelle zur Einbeziehung jüdischer Friedhöfe in die Vermittlungsarbeit, als außerschulische Lern- und Gedenkorte werden dafür betrachtet, um für die Zukunft Empfehlungen zu erarbeiten.
Im Teilprojekt „Schändungen jüdischer Friedhöfe in Bayern – Schadensbilder, Ausmaß, historischer Kontext, Analysen anhand von Fallbeispielen“ untersucht das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege exemplarisch Schändungsgeschichten bis ins Detail.
Eine fortlaufende projektbegleitende Online-Publikation der Forschungsergebnisse soll nicht nur weiterführende Forschungsprojekte – z.B. einen europäischen Vergleich – anregen, sondern vor allem die Ergebnisse an die interessierte Öffentlichkeit vermitteln und so einen Anstoß zum nachhaltigen Schutz jüdischer Friedhöfe als bedeutenden Teil des jüdischen Kulturerbes bieten. Das Verbundprojekt ist eng eingebunden ist das vom Zentrum für Antisemitismusforschung geleitete Metavorhaben „Aktuelle Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus“.