Von Braunschweig in die Welt
Galka Scheyer und die Moderne Kunst
Vor etwa 130 Jahren, 1889, wurde Emilie Esther Scheyer, die Emmy genannt wurde und sich später den Namen Galka gab, als Tochter in Braunschweig geboren. Sie gehört damit zu jener Generation der in den 1880er Jahren Geborenen, die als Künstler, Architekten, Schriftsteller oder Musiker die Entwicklung der Moderne im 20. Jahrhundert maßgeblich prägen sollten. Emmy Scheyers Vater war Unternehmer, zunächst Ledergroßhändler und später Eigentümer der größten Braunschweiger Konservenfabrik der Zeit – die Konservenproduktion war eine echte Braunschweiger Spezialität.
Die wohlhabende Familie gehörte der jüdischen Gemeinde Braunschweig an, deren neue Synagoge in der Steinstraße, gebautes Symbol der Teilhabe der jüdischen Gemeinschaft an der deutschen Gesellschaft, zur Geburt von Emilie Scheyer gerade erst 14 Jahre alt war. Ob Familie Scheyer die Synagoge regelmäßig besucht hat, ist hingegen fraglich. Wie für viele vollständig integrierte Juden und Jüdinnen um die Jahrhundertwende mag das Thema Religion keine große Rolle im täglichen Leben gespielt haben. Dies kann man zumindest aus dem reichhaltigen Schriftwechsel schließen, den Galka Scheyer mit ihrer Familie, ihren Freunden und Geschäftspartnern geführt hat.
Künstlerisch begabt und offenbar mit großer Neugier gesegnet, verließ die junge Frau Braunschweig, in Richtung Oxford, Paris, München und Brüssel. Auf ihrem Weg begegnete sie den jüngsten Tendenzen der modernen Kunst und ihren Künstlerpersönlichkeiten. Von besonderer Bedeutung war die Begegnung mit Alexej von Jawlensky in der Schweiz und der Bauhaus-Künstler Kandinsky, Klee und Feininger in Weimar.
Das Projekt ist Teil des Jubiläumsjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ und umfasst mehrere Teilprojekte: Im Oktober 2021 hat die Bet Tfila gemeinsam mit Gilbert Holzgang (Galka Emmy Scheyer Zentrum e.V.) eine Rundgang-Broschüre publiziert, mit der Besucher:innen jene Orte kennenlernen können, die Galka Scheyer mit Braunschweig verband, die ihr wichtig waren und an die sie sich vielleicht auch in ihrer neuen Heimat noch erinnert hat.
Um diese schillernde Frau wirklich kennenzulernen, müsste man statt eines Rundgangs durch Braunschweig natürlich eine Weltreise unternehmen – nur so wird man erfahren können, wie weit vernetzt Galka war. Um dies zu ermöglichen, verbindet eine Onlinekarte ausgewählte Orte ihres Wirkens. Sie wird in Kooperation mit dem Israel Jacobson Netzwerk für jüdische Kultur und Geschichte präsentiert. So lassen sich Galkas Spuren zumindest „mit dem Finger auf der Landkarte“ verfolgen.
Im Imhof Verlag wird außerdem der Tagungsband „Galka Scheyer – A Jewish Woman in International Art Business" publiziert, der in englischer Sprache die aktuelle internationale Forschung zu Galka Scheyer zusammenführt.
Die Bet Tfila – Forschungsstelle ist außerdem beteiligt an den Planungen zu einer Ausstellung, die das Herzog Anton Ulrich-Museum gemeinsam mit dem Städtischen Museum im Jahr 2023 eröffnen wird.